Die sechste Ausstellung der Reihe "IM DIALOG" zeigte drei ausgewählte Werke der polnischen Bildhauerin Magdalena Abakanowicz. Unter der Schirmherrschaft von Udo Corts, Hessischer Minister für Wissenschaft und Kunst, fand sie vom 1. Juni bis 25. September 2005 in Chorraum und Turmhalle der Stadtkirche statt.

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ZUR KÜNSTLERIN
MAGDALENA ABAKANOWICZ, geboren 1930 in Falenty bei Warschau, 1950-54 Studium an der Akademie für Schöne Künste in Warschau, 1960 erste plastische Textilobjekte. Seit 1981 Zyklen in Sackleinen, Holz, Ton, Bronze und Stein. 1994 Tanz-Choreographien für Aufführungen in Japan und Polen. 1994-97 Entstehung der 240 Figuren umfassenden Gruppe "Hurma". Die Künstlerin lebt und arbeitet in Warschau.

ZU WERK UND KONZEPTION
""...Es geht mir um das, was man nicht anders ausdrücken kann. Dazu gehören die Schrecken, der Glaube, die Gefühle und alles was in uns ist und was wir mit uns durchs Leben schleppen...“, sagt Magdalena Abakanowicz über ihre Motivation, Kunst zu machen. Indem ihre Werke die Abgründe menschlichen Verhaltens thematisieren und den Betrachter zur Reflexion und Reaktion auffordern, sind sie von einem zutiefst menschlichen Charakter geprägt.
1930 in der Nähe von Warschau geboren, wächst Magdalena Abakanowicz in einer wohlhabenden Aristokratenfamilie auf. 1939 endet diese Kindheit schlagartig: Mit dem Überfall der Deutschen auf Polen wird ihre Familie zum Ziel von Übergriffen. Mit vierzehn Jahren erlebt sie die brutale Niederschlagung eines Partisanenaufstandes und die systematische Zerstörung Warschaus durch die Deutsche Wehrmacht. Bilder von Massen verwundeter Menschen brennen sich in ihr Gedächtnis ein. Nach ihrem Studium an der Akademie der Schönen Künste in Warschau beginnt sie Mitte der 50er Jahre aus Sisal, Wolle, Flachs, Pferdehaar und altem Tauwerk Objekte zu weben, die sich in den folgenden Jahrzehnten zu raumgreifenden Installationen entwickeln. Den Prager Frühling und den Einmarsch der Russen erlebt die Künstlerin 1968 vor Ort. Der Anblick einer großen Anzahl schlafender russischer Soldaten im Prager Bahnhof geht ihr nicht mehr aus dem Kopf: in braunes Leinen gekleidet, gleichen die bewegungslosen Leiber der Soldaten sackartigen Körperhüllen ohne Gesichter. Der Mensch und seine existenziellen Befindlichkeiten werden fortan zum zentralen Thema ihrer Kunst. Getränkt in Kunstharz lässt sie Sackleinen über Gipsformen menschlicher Körper aushärten. Seit den 80er Jahren werden diese Abformungen meist in Bronze gegossen.
In den folgenden Jahrzehnten entwickelt die bis heute unermüdlich kreative und international erfolgreiche Künstlerin eine faszinierend weite und dennoch kohärente Palette von Ausdrucksmöglichkeiten und Themen, wie etwa Tiere, Bäume, Schädel oder Selbstporträts. Doch sind es vor allem die einzelnen Figuren oder Figurengruppen, die Magdalena Abakanowicz ihren festen Platz in der Kunstgeschichte sichern und von denen die wohl stärkste Strahlkraft ihrer Kunst ausgeht.
Stets werden die Innen- und Außenseiten der Figuren als gleichwertige Bestandteile präsentiert. Diese Gleichzeitigkeit eröffnet der Wahrnehmung zahlreiche Dimensionen: Die Figuren wirken nackt und doch von einer Kruste verdeckt, sie sind offen und doch geschlossen, schwer und leicht. Die Metamorphose des Metalls vom flüssigen in den festen Zustand bewahrt die Spuren der Zeit über das Leben hinaus. Die Künstlerin monumentalisiert den Körper, macht ihn aber zugleich verletzbar, setzt Zeichen für den Menschen, während sie ihn gleichzeitig verschwinden lässt.
Ihre Arbeiten umkreisen immer wieder die Suche nach inneren Haltungen oder Mustern, die menschliches Verhalten über alle Zeiten und Räume hinweg kennzeichnen. Die Kopf-, Arm- und Geschlechtslosigkeit ihrer Figuren lenkt den Blick auf den Kern des Körpers. Hier bilden Leib und Seele eine untrennbare Einheit, die – kaschiert durch die dünne Schicht kultureller Eigenheiten - unsere Instinkte speichert und unser Verhalten seit Urzeiten bestimmt. Die Künstlerin versteht ihre Rolle als eine Deuterin des Lebens, die durch ihre Kunst Orientierung schaffen und von Angst befreien will.
Magdalena Abakanowicz sucht mit ihren Plastiken stets die Auseinandersetzung mit dem sie ungebenden Raum. Nicht zuletzt aus diesem Grund beschränkt sich die Ausstellung in der evangelischen Stadtkirche Darmstadt bewusst auf drei wichtige Arbeiten, die im Schiff und Turm der Kirche ihre Wirkung ganz im Sinne der Künstlerin zur Entfaltung bringen."  Nils Ohlsen, Kunsthalle in Emden

AUS DEM AUSSTELLUNGSBUCH
Kopflos + hohl = gewöhnungsbedürftig, aber sehr, sehr beeindruckend und gelungen! W.H. • Hoffentlich ist nicht alles hohl wie die eindrückliche Plastik. S.U. • Sehr eindrucksvolle Figuren! Prima Präsentation! Aber dieses Pult an den Altar geschraubt? Könnte es nicht allein stehen? W.E. • Ein guter Weg, die Traumata des Lebens nicht die Seele weiterhin belasten zu lassen, sondern durch künstlerische Ausdrucksweise zu besiegen. Auch eine Möglichkeit der Vergebung. Die Skulpturen zeigen Kraft und Ruhe. Die niedergeschriebenen neonazistischen hohlen Bemerkungen wirken hier nicht mehr. M. • Danke für die eindrucksvolle Atmosphäre. C.Sch. • Schön, dass in einer Kirche solche Kunstwerke gezeigt werden. Verdeutlichen sie doch, wie „kopflos“ manche ewig Gestrigen ihr Unwesen treiben. K.H.F. • Ich habe mich bemüht die Figuren zu verstehen. A.A. • Wer ist hier hohl? A.A. • Kirche und Kunst enthüllen anscheinend und konfrontieren uns mit uns selbst. Dialog zwischen allen „Figuren“ in dieser Kirche. H.D.K. • Die Künstlerin sollte versuchen ihre Kriegstraumata mit einem Psychotherapeuten aufzuarbeiten und uns mit ihrer „Kunst“ verschonen. A.A. • Kunst ist kein Ersatz für Therapie, sondern Darstellung und Spiegel der Gesellschaft. A.S. • Ich begrüße die Ausstellungen und Dialoge zwischen Kunst und Kirche. Auch diesmal war ich wieder beeindruckt. Erstaunlich – und zu lächerlich, um sich zu ärgern einige „fachkundige“ und dümmliche Kommentare in diesem Buch. Aber – das ist unsere Zeit, leben wir damit. L.W. • Danke für die Möglichkeit mich mithilfe der Werke dieser großen Künstlerin auf das Wesentliche zu besinnen. E.E. • Ich finde es sehr gut, dass die Stadtkirche solche Ausstellungen macht. F.D. • Hier regiert nicht der Kopf: gut so! E.W. • Es ist so schön, dass die Künstlerin hier zu sehen ist. Wir haben in Gießen über sie gearbeitet. Auch in diesem Rahmen finde ich es gut, - gerade in diesem Rahmen der Kirche. M.S. • Der G. findet die Ausstellungsobjekte sehr, sehr schön! A.A. • Stimmt! A.A. • Wunderschön, die Skulpturen, erschreckend die Kommentare. H.K. • Vielen Dank für diese wunderbaren Eindrücke! A. • Ich bin berührt von der Vielschichtigkeit und Ausdruckskraft in solch einer Reduktion. Danke. M.-L.T.

Fotos: Renate J. Deckers-Matzko © Stadtkirche Darmstadt

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