Sonntag | 26. Mai 2024 | 10.00 Uhr
»Queere Lebensformen sind ein Teil der Schöpfung.«
Gottesdienst zum Schuldbekenntnis der EKHN (2023)
Pfarrer Martin Franke-Coulbeaut
Pfarrerin i.R. Anita Gimbel-Blänkle
Vor etwas mehr als 30 Jahren, 1993, ließ die damlige Frankfurter Pröpstin Helga Trösken zum ersten Mal offiziell ein homosexuelles Pfarrerspaar in ein Pfarrhaus einziehen. Ein mutiger Schritt in einer Zeit, in der das evangelische Pfarrhaus für die meisten Menschen die traditionelle Pfarrfamilie verkörperte: der Pfarrer, die Pfarrfrau, die ihren Mann ehrenamtlich unterstützte und ihm den Rücken freihielt und – das gehörte unbedingt dazu – mehrere Kinder, Pfarrerskinder. Die zunehmende Zahl an Pfarrerinnen, die anfangs zölibatär
leben mussten, veränderte dieses Bild des evangelischen Pfarrhauses bereits grundlegend. Und dann sogar homosexuelle Paare im Pfarrhaus! Nicht dem herkömmlichen Bild einer Pfarrperson zu entsprechen, war für viele Männer und Frauen in der Kirche nicht einfach und für viele war damit ein persönlicher Leidensweg verbunden. Erst im Jahr 1994 wurde det Paragraph 175 aus dem Strafgesetzbuch gestrichen, 2017 wurden alle Urteile wegen homosexueller Handlungen aufgehoben und strafrechtliche Rehabilitation begonnen, weil
verfassungsrechtlich hier die Menschenwürde verletzt wurde. Im vergangenen Frühjahr hat die Synode der EKHN ein Schuldbekenntnis gegenüber queeren Menschen beschlossen. Wieso ein Schuldbekenntnis? Immerhin gab es seit 2002 die Segnung homosexueller Paare, ab 2013 dann offiziell die Trauung mit Kirchenbucheintrag. Warum also jetzt ein Schuldbekenntnis? Weil Menschen nicht locker gelassen haben, um auf erlittenes Leid hinzuweisen, auf Existenzen, die vernichtet wurden, ja: Leben, das genommen wurde, weil nicht sein durfte, was nicht dem herkömmlichen Bild entsprach. „Viel zu lange hat auch die EKHN die Vielfalt der Geschlechter, unterschiedlicher sexueller Orientierungen, Lebensweisen und Familienmodelle nicht geachtet, sondern zu begrenzen versucht.“ Und: Die EKHN, das sind wir alle, nicht nur die Kirchenleitung, verpflichtet sich, „die bestehende Vielfalt von Geschlechtern unterschiedlicher sexueller Orientierung und Lebensweisen anzuerkennen und zu fördern. Damit ermöglicht sie verantwortliche solidarische Lebensgemeinschaften für viele Menschen. “ Der Gottesdienst nimmt das Schuldbekenntnis und die damit eingegangene Verpflichtung thematisch auf. Die musikalische Gestaltung übernimmt ein Ensemble der Darmstädter Kantorei unter der Leitung von Martin Wahlers.
Pfarrerin i.R. Anita Gimbel-Blänkle